Der “perfekte” Schlag

Da liegt der Ball auf dem Fairway, nach nur kurzer Flugzeit schaffte er es nur 15 Meter weit, sollte doch mindestens 120 Meter weit fliegen, doch ich vollführte einen viel zu steilen Schlag, traf den Boden zuerst und dann nur einen kleinen Teil vom Ball. Das Objekt wurde nur gestreichelt. In mir breitete sich sofort eine tiefe Enttäuschung aus – wie konnte mir das nur passieren? Selbstzweifel plagten mich sofort. Ich hatte mich doch so auf diesen Schlag vorbereitet, er sollte die Voraussetzung für einen guten Score sein. Vom Zielplatz sollten es maximal noch 2 Schläge sein zum erstrebten PAR.

Ratlosigkeit paarte sich mit tiefer Enttäuschung. Sollte ich resignieren und den Ball „nach Hause schubsen“ zum Bogie, Doppelbogie oder gar Triplebogie? Die Enttäuschung kämpfte in mir mit dem Kampfgeist (packen wirˋs an!). Ich atmete tief durch und ging mit großer Entschlusskraft und positiver Einstellung an den nächsten Schlag. Das Ziel wurde anvisiert. Es waren 179 Meter (ungerade Zahlen sind glaubhafter) zum Flaggenstock. Es ging geradeaus. Links der Abhang, rechts die steile Böschung. Das Fairway war schmal, das Grün war verteidigt durch zwei Bunker links und rechts. Kurz vor dem Grün stieg das Fairway merklich an, wodurch der Lauf des Balls merklich abgebremst werden könnte. Das Wetter war trocken, 22 Grad Lufttemperatur, kein wesentlicher Seitenwind. Also, welchen Schläger wähle ich aus?

Mit dem Eisenschläger habe ich Mühe, die Distanz bis zur Fahne zu überwinden, da schaffe ich nur maximal 155 Meter Carry durch die Luft. Mit dem Holz 4 habe ich manchmal Probleme mit der Richtung – häufig kommt ein SLICE dabei heraus, wenn der Ball in der Flugendphase nach rechts abdriftet; ich müsste den Schlägerkopf dann „schließen“, also etwas nach links drehen, um diesen Effekt zu vermeiden. Mit dem Holz 7 könnte ich einen geraden Schlag ausführen, der wäre aber mit 160 Metern zu kurz. Schweren Herzens entscheide ich mich doch für das Holz 4, um zumindest eine Chance für einen guten Score zu haben. Ich wähle den Schläger aus und begebe mich an den Schlagort. Zum Glück liegt der Ball etwas erhaben auf dem Grün, sodass der Schläger ihn sauber treffen kann.

Ich muss nun sorgfältig vorgehen. Zunächst wähle ich die korrekte Standposition. Hinter dem Ball stehend in Richtung zum Zielpunkt suche ich mir die geplante Fluglinie des Balls aus und merke mir im Gras unmittelbar etwa 20 Zentimeter vor dem Ball einen markanten Punkt, über den der Ball starten soll. Dann stelle ich mich im Winkel von 90 Grad an den Ball. Als Rechtshänder mit Blick nach links zum Ziel. Ich platziere die Füße so, dass eine gedachte Linie vor den Fußspitzen direkt zum Ziel reicht. Die Innenseite des linken Fußes befindet sich auf Höhe der Balllage.

Nun beginnt der Ablauf. Die Rücken- und Schultermuskeln versuche ich total zu entspannen. Den Schläger lege ich direkt neben den Ball auf das Fairway ohne dass der Ball berührt wird. Ich strecke die Arme aus, weil das das Maß ist, um den Ball beim Downswing korrekt zu treffen. Die Augen bleiben während der gesamten Vorbereitung bis zum Schlag gegen den Ball auf der Kugel. Diese Position muß ich halten bis zum Schlag. Ich atme mehrfach ein und aus und halte den Atem an, um ganz entspannt den Schläger zum Ausholschwung zu heben. Ich schwinge mit gestrecktem linken Arm bis zur Anspannungsgrenze nach oben/hinten aus und beginne mit dem Abschwung und Golfschlag, indem ich den Schläger einfach fallen lasse und in Hüfthöhe mit einem kräftigen Schwung nach vorne katapultiere und dabei die Hüfte mitbewegen lasse, um auf der Linie in Richtung Grün, meinem Ziel zu schwingen. Hierdurch werden dem Ball Fluglänge und Richtung gegeben. In dem Moment, in dem der Ball getroffen wurde, darf ich auch den Blick Richtung Ballflug nehmen.

Ich schaue diesem Ball hinterher, der mir ein Gefühl vermittelt, perfekt getroffen worden zu sein; ein weiches Verspüren im Schläger signalisierte mir, dass ich den Ball im „Sweet Spot“, der Schlägermitte optimal getroffen hatte; ein kleines Wohlempfinden durchzieht meinen Körper. Den Ball verfolgend, traue ich meinen Augen nicht, denn er hat eine perfekte Länge und steuert exakt auf die Fahnenposition zu; mein Adrenalinspiegel steigt und ich kann es kaum fassen, der Ball rollt über das unebene Fairway, den leichten Hang hinauf, direkt aufs Grün und bleibt unmittelbar neben der Fahne liegen.

Es ist nicht zu glauben, welche Gefühle und Empfindungen sich in dem Moment in meinem Körper ausbreiten; es ist ein Vorgang, den man sicher in anderen Sportarten bei Spitzenleistungen erleben kann. Ich erlebe so etwas häufiger und bin sehr glücklich in diesem Sport.

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